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30. Mai 2019Anuschka Rees: „Wir sollten den Stellenwert von Schönheit reduzieren“
Katharina: Liebe Anuschka, magst du uns kurz erzählen, wer du bist und was du machst?
Anuschka: Ich wohne in Berlin und schreibe hauptsächlich Bücher. Mein erstes Buch war „Das Kleiderschrank-Projekt„. Die letzten zwei Jahre habe ich mich vor allem auf mein zweites Buch konzentriert „Beyond Beautiful„, in den dem es um Body Image, Feminismus und dem allgemeinen Schönheitswahn geht.
Katharina: Sehr spannend! Wie kam dir die Idee zu dem Buch?
Anuschka: Mein Body Image war für mich schon immer ein großes Thema, so auch für jeden, den ich kenne. Das Thema wurde aber immer präsenter, nachdem mein erstes Buch herauskam. Ich erhielt ganz viele E-Mails oder DMs von Leserinnen und habe gemerkt, wie krass das Problem für so viele ist. Bei den meisten ging es in den Nachrichten nämlich im Grunde gar nicht um die Klamotten, sondern darum, wie sie sich in ihrem Körper fühlen. Sie fühlen sich zu dick, zu dünn, zu alt, ….
Das war der Anstoß zu schauen, was es für Bücher zu dem Thema gibt. Hinzukommt, dass ich Psychologie studiert habe und je mehr ich mich mit dem Thema beschäftigt habe, ist mir aufgefallen, wie anders der Ansatz von Medien und Social Media im Vergleich zu Psychologen oder Therapeuten ist, sich mit dem Thema zu befassen.
Außerdem habe ich mich gefragt, was ich den Leuten mit auf dem Weg geben kann. Dazu habe ich sehr wenige praktische Empfehlungen gefunden. Wir reden viel darüber, was Marken, die Modeindustrie oder Regisseure tun können, um das Bild von Schönheit in unserer Gesellschaft zu ändern. Aber ich wollte wissen, was die Einzelperson tun kann, bis das passiert ist. Uns wird immer nur die ideale Endsituation beschrieben, aber nie, was man dafür muss, um dahin zukommen.
Dann habe ich zu meinem Verlag, dem Dumont Verlag gesagt, dass ich, anstatt ein Kleiderschrank-Projekt Teil 2 zu schreiben, eigentlich etwas ganz anderes machen möchte: Ein super praktisches Buch, mit konkreten Antworten auf konkrete Fragen. Ich wusste noch nicht, was in dem Buch stehen würde, ich wusste nur, welche Fragen das Buch beantworten sollte. Das ist ziemlich ungewöhnlich. Normalerweise kaufen die Verlage nur ein Buch, wenn man sagen kann, was genau in den Kapiteln steht. Ich bin meinem Verlag sehr dankbar, dass sie mir die Freiheit gegeben haben, mich damit fast zwei Jahre zu befassen und suchend zu sein.
Ich habe mit sehr vielen Experten in verschiedenen Disziplinen gesprochen und alles an mir ausprobiert, weil ich selber zur Zielgruppe meines Buches gehöre. Schlussendlich hat sich herausgestellt, dass Body Positivity vielleicht gar nicht so optimal ist. Das wusste ich am Anfang nicht, ich dachte ich schreibe ein Body Positivity-Buch und so bin ich auf Body Neutrality gekommen.
Katharina: Wie kann man sich denn konkret dem Schönheitswahn entziehen?
Anuschka: Zusammenfassend kann ich sagen, dass unsere Probleme nicht nur von den unrealistischen, spezifischen Schönheitsidealen stammen, die es momentan gibt, sondern auch hauptsächlich daher, dass Schönheit oder attraktiv sein einen so hohen Stellenwert in unserer Gesellschaft hat. Das ist das allgemeine Grundproblem. Deswegen reicht es nicht, dass wir die einzelnen Schönheitsideale entkräften.
Der hohe Stellenwert führt auch dazu, dass Frauen, die dem Schönheitsideal im Großen und Ganzen entsprechen trotzdem extrem viel Zeit und Energie darauf verwenden und Angst haben, zum Beispiel zuzunehmen. Für den Einzelnen bedeutet das, sich anzutrainieren, Schönheit nicht mehr als Hauptfaktor anzusehen, auf dem das eigene Selbstwertgefühl basiert. In meinem Buch gehe ich dann darauf ein, was das für die verschiedenen Lebensbereiche dann genau bedeutet.
Katharina: Was waren deine Erfolgserlebnisse als Autorin?
Anuschka: Ein totaler Aha-Moment war, dass es nicht mein Ziel ist, mich selber im Spiegel anzusehen und zu denken „Wow, ich bin super schön“. In den Medien wird häufig als Ziel dargestellt, dass man sich selber richtig schön findet, wenn man ein gutes Selbstwertgefühl hat. Darüber habe ich lange nachgedacht und bin zu dem Schluss gekommen, dass das nicht das Ziel ist. Denn auch wenn du dich super schön findest, verfolgt einen die Angst, irgendwann nicht mehr schön zu sein und dann sein Selbstbewusstsein zu verlieren.
Meine Erkenntnis ist, dass ich eigentlich gar nicht in den Spiegel schauen muss, um zu sehen, wie gut mein Body Image ist. Es kommt nicht darauf an, wie gut aussehend ich mich finde, sondern es kommt darauf an, was für einen Impact meine Meinung von meinem Körper auf meine verschiedenen Lebensbereiche hat.
Als Beispiel: Wenn ich früher zugenommen habe, dann wäre ich nicht ins Freibad gegangen, sondern hätte abgesagt. Heutzutage verstehe ich, dass es nicht so wichtig ist, wie ich mich gerade finde. Wenn ich ins Freibad gehe, möchte ich eigentlich ganz andere Sachen machen. Das war eine Grunderkenntnis, die total wichtig ist.
Katharina: Gab es auch Hürden?
Anuschka: Der ganze Prozess war gar nicht so einfach. (lacht) Eine Sache, die ich schwierig fand, wäre zum Beispiel das Intuitive Eating, wo man versucht, sich gar keine Vorschriften beim Essen zu machen. Das fand ich ziemlich schwierig, mich davon zu lösen. Ich dachte, ich nehme direkt zu, wenn ich gar nicht mehr darauf achte. Das Problem sind die Vorschriften, die man sich macht und führen dazu, dass wir alle so obsessed sind mit dem Essen. Wenn man sich gar keine Vorschriften macht und lernt intuitiv zu essen, will man auch gar nicht dauernd essen.
Katharina: Hast du einen Tipp für Blogs, Bücher oder Social Media Kanäle?
Anuschka: Es gibt nicht wahnsinnig viele Blogs, die body neutral sind, im Sinne davon, den Stellenwert von Schönheit zu reduzieren. Meine Instagram-Empfehlungen zum Thema sind @beauty_redefined und @i_weigh.
Katharina: Was bedeutet Erfolg für dich?
Anuschka: Erfolg bedeutet Freiheit. Für mich ist gar nicht so wichtig, dass ich super viel verdiene. Für mich ist am wichtigsten, dass ich nichts machen muss, was ich nicht machen will und meinen Tag frei gestalten kann.
Katharina: Was würdest du einer jüngeren Anuschka mit auf dem Weg geben?
Anuschka: Ich würde ihr sagen, dass es okay ist, so zu arbeiten, wie ich arbeite. Ich bin sehr introvertiert, was ja einfach nur bedeutet, dass ich Energie verliere, wenn ich mit anderen Leuten zusammen bin und viel Zeit für mich alleine brauche. Ich fand es komisch, warum ich nicht den ganzen Tag mit anderen Leuten verbringen will und warum ich so Probleme habe, in einem Büro zu arbeiten, besonders in einem Großraumbüro. Ich würde ihr sagen, dass ich für das Selbstständigen-Dasein gemacht bin und dass es ein Teil von meiner Persönlichkeit ist.
Katharina: Was sind deine Pläne für die Zukunft?
Anuschka: Das ist lustig, weil ich nur an die Veröffentlichung des Buches denke. Darauf läuft alles zu und was ich danach mache, weiß ich noch gar nicht. Natürlich hoffe ich, dass ich weiter schreiben kann. Wenn man ein neues Buch anfängt, muss man allerdings richtig verliebt in das Thema und die Idee sein, weil man damit so viel Zeit verbringen wird. Aktuell weiß ich noch gar nicht, was ich schreiben könnte. Ich bin noch sehr im Body Image-Fokus. (lacht)
Katharina: Vielen Dank, liebe Anuschka, für das schöne Interview!
Du möchtest Anuschka Rees besser kennenlernen? Hier findest du sie:
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